WienMagazin März/April 2025 - Flipbook - Seite 13
what’s on
in vienna
ausstellung
GRUND: MEISTERZEICHNUNGEN DER
RENAISSANCE-MEISTER HAUTNAH
Original dieser demütig gefalteten
Hände wird in Wien aufbewahrt
und entfaltet in natura eine besondere Aura. Dürer zeichnete sie mit
feinem Pinselstrich in Grau und
Schwarz und hob die Lichtakzente
mit weißer Farbe hervor, und zwar
auf blau grundiertem Papier. So
entsteht ein verblüffender HellDunkel-Effekt: Die Hände scheinen plastisch aus dem blauen Hintergrund zu treten. Interessant ist
auch der Entstehungszweck – es
handelt sich um eine Studie zu den
Händen eines Apostels für den
Heller-Altar. Obwohl als Vorarbeit
gedacht, erlangte dieses Blatt eigenständigen Ruhm und wurde
zum Symbol für Andacht und
künstlerische Perfektion. Neben
den Betenden Händen zeigt die
Albertina weitere Dürer-Blätter
auf Farbgrund, etwa den „Kopf
eines lautespielenden Engels“
(1506) auf blauem Papier, der mit
seinen feinen Weißhöhungen im
Haar und den zarten Schatten im
Gesicht die Meisterschaft Dürers
im Umgang mit Licht und Schatten ebenso demonstriert.
Albrecht Dürer, Betende Hände, 1508
(© ALBERTINA, Wien)
Die Technik des gefärbten Papiers: Renaissance-Geheimnis leicht erklärt
Was hat es mit dem Zeichnen auf farbigem Grund auf sich? In der Renaissance kamen
Künstler_innen auf die Idee, ihre Zeichenpapiere vorab einzufärben oder zu grundieren, um darauf effektvoll Hell und Dunkel auszuspielen. Das farbige Papier – oft blau,
braun oder grün – diente als Mitteltönung, von der aus sie in zwei Richtungen arbeiteten: Lichter wurden mit weißer Kreide oder Farbe herausgehoben, Schatten mit
dunklem Stift, Tinte oder Kreide vertieft. Dadurch konnten sie reichere Abstufungen
erzeugen, als auf weißem Papier möglich gewesen wären. Der italienische Maler
Cennino Cennini beschrieb diese Technik um 1400 in einem Lehrbuch sogar als
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