WienMagazin März/April 2025 - Flipbook - Seite 10
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DAS „EXPERIMENT
IN DER HEIDI
Unter dem Motto „Schiele meets Nosferatu“ zeigt die Heidi Horten Collection
diesen Frühling und Sommer das Experiment Expressionismus. Rund 170 Werke
veranschaulichen dabei die künstlerische Revolution des Expressionismus, welcher
mit expressiven Farben, innovativen Gesten und radikalen Kompositionen den inneren Zuständen des frühen 20. Jahrhunderts Ausdruck verleiht. In einer Gegenüberstellung von deutschen und österreichischen Werken werden in der Heidi
Horten Collection erstmals bildende Kunst und Stummfilm der 1920er Jahre in einen
direkten Dialog gebracht und die Vielfalt der expressiven Strömungen wird für
Besucher_innen eindrucksvoll erlebbar.
Mit der Titulierung des Experiments verweist die Ausstellung auf die offene und
prozesshafte Natur dieser Kunst, welche sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts formierte. In einem radikaler Gegenentwurf zur bis dato etablierten akademischen Malerei
stellten sich die Künstler_innen des Expressionismus dieser entgegen, indem sie ihre
subjektiven Empfindungen in den Mittelpunkt ihres Schaffens stellten und hierzu eine
verzerrte, expressive Bildsprache entwarfen. Nicht unähnlich zu den gesamtgesellschaftlichen Emotionen der heutigen 20er Jahre waren auch die Maler_innen vor
100 Jahren von der sich rasch verändernden Welt und politischen Umbrüchen beeinflusst. Neben Gefühlen der Freiheit und Ekstase, kämpften sie auch mit Zuständen
der Angst und Zweifel. Diese existenzielle Zerrissenheit findet Ausdruck in ihrer Kunst,
wie sich so beispielsweise in der ausgestellten Prozession (1911) von Egon Schiele
betrachten lässt. Auch die Herausforderungen des (Über-)Lebens in der Stadt und
der sich beschleunigenden Urbanisierung der Welt bieten Anknüpfungspunkte zwischen dem Expressionismus und der Gegenwart. Die Städte
wuchsen innerhalb kürzester Zeit zu
unvorhergesehener Größe heran und
ihre Bewohner_innen waren konfrontiert mit akutem Platzmangel, Wohnungsnot und einer isolierenden Anonymität inmitten der Masse. So verhandelten die Maler_innen den StadtLand-Diskurs bereits damals in ihren
Werken. Während die Stadt für sie
hierbei zunehmend zu einem rastlosen, überreizenden Moloch anwuchs,
idealisierten sie die Natur als utopische
Einheit von Mensch und Welt. Das
Stadtbild des Expressionismus als Egon Schiele, Prozession, 1911
(© Ernst Ploil)
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